Unser "Freund" Abdul

Ja, Abdul ...

"7 Day 7 wonder of Luxor". Oh, my.

Nun, ja.

Die meisten Ägypter, die man so in Luxor trifft (und anderenorts sicherlich auch, aber in Luxor kennen wir uns halt am besten aus) sind nett, freundlich, hilfsbereit - und ehrlich. Manche halt nicht, oder zumindest nicht so richtig. Oder nicht immer.

Und da ist Abdul.


Der Geschichte erster Teil: März 2005

Wir treffen Abdul im März 2005 bei einem Bummel durch Luxor. Es ist eine der vielen Begegnungen, wo man als Tourist halt angesprochen wird von Einheimischen. Manche sind einfach neugierig, andere freundlich, andere wiederum versprechen sich so ihre Vorteile - immerhin werden wir allein aufgrund der Tatsache, dass wir uns in Ägypten aufhalten, automatisch als ungemein reich eingestuft. So wie Abdul.

Man kommt dann ins Gespräch, und wie das halt so ist, stellt sich plötzlich heraus, dass Abdul eine ganze Menge Leute kennt: billige Cafés, billige Hotels (definitiv billiger als unseres), billige Läden, jemanden mit Taxi, jemanden mit Felukka, einfach alles ... man kennt das ja. Oh, wir sind gar nicht im Hotel, sondern in El Ezba. Bei Hassan Maki? Oh. (Mit dem legen wir uns 'mal besser nicht an.) Gehen wir doch ins Café am Bahnhof, das ist schön und sehr Touristen freundlich. Nein? Wir wollen lieber in das kleine Café mit den grünen Toren (das erst seit 2007 auch offiziell einen Namen hat)? Oh, aber das Café nix gut. Großer Bescheißer, der Besitzer. Wie? Wir gehen da seit Jahren hin? Oh. Sind aber teurer als "sein" Café am Bahnhof, oder? Halb so teuer? Ist aber nicht normal, weil der Besitzer ... Oh, der mag uns? Oh.

Ah... gut. Einkaufen dann. Was wir brauchen? Gewürze? Papyrus, Statuetten? Einer unserer hiesigen Freunde hat einen Laden für Souvenirs? Oh. Aber Gewürze? Ja, gern doch! Das und jenes, garantiert billig. Ist es auch, zumindest für unsere Verhältnisse. Für ägyptische ist es bestimmt teuer, und Abdul verdient gut dabei - aber egal, auf uns allein gestellt bekämen wir es nicht so billig, außer wir würden Hassan bemühen, aber der hat auch noch anderes zu tun, als sich Tag und Nacht um uns zu kümmern. Und ach ja, so ein paar Koraninschriften, auf Papyrus, wären nett. Na, so drei bis fünf, DIN-A-4. Vorkasse? Na, klar, Abdul gibt uns ja seine Visitenkarte und seine Handynummer (und fragt gleich an, ob er nicht mein Nokia 6610 haben könnte, weil so eines mit Kamera wollte er schon immer). Na, sage ich, vielleicht, wenn ich mir ein neues kaufe, schicke ich ihm das alte. Oder so. Inshallah. Scheint aber kein so guter Moslem zu sein, der Abdul, denn das findet er nicht so gut. Aber er schenkt mir brav einen Taschenrechner, weil ich seine Preise im Kopf nicht so schnell umrechnen kann. Und einen Umhängeriemen für mein Handy. Dafür trenne ich mich von der einen oder anderen Visitenkarte. Schadet ja nicht.

Ah, meine Frau is Muslima? Wirklich??? Ah, super, liebe Schwester, hier gibt's einen Taschenkoran geschenkt. (Aber es kommen wenig Nachfragen wie, welche Art von Muslima sie denn sei, ob sie denn auch richtig beten könne usw.). Aber das erklärt natürlich die Koraninschriften - die werden jetzt natürlich ohne Preisaufschlag sofort viel schöner. Extra für uns, seine Schwester im Glauben und ihren netten Mann.

Wir verabreden uns ein paar Tage später wieder. Da ich ein netter Mensch bin, komme ich sogar mit ihm zum Café am Bahnhof. Es ist in der Tat deutlich teurer als das mit den grünen Toren, und als wir da sind, stelle ich fest, dass ich Abdul eingeladen habe. Na, sei's drum, bei einer Rechnung von etwa 3 Euro werde ich das überleben (und ich nehme an, Abdul wird 10 bis 20 Prozent davon als Provision einstreichen). Die Gewürze hat er mit, ganz wunderbar, alles etwas mehr als gewünscht und trotzdem zum gleichen Preis - war ja auch Vorkasse. Ob ich denn, wenn ich das eigens für mich ausgewählte tolle Touristencafé nicht möge, 'mal ein "richtiges" ägyptisches Kleincafé sehen wolle? Nicht so eines wie das mit den grünen Toren, dessen Besitzer böse Dinge tun würde (an dieser Stelle entpuppte sich Abduls Englisch als leider nicht ganz so gut, wie er es gerne hätte, aber die Geschichte hatte wohl etwas mit betrunken gemachten und in die Prostitution verkauften Touristinnen zu tun; ich habe aber auch nicht so genau zugehört). Also tappen wir durch die Innenstadt von Luxor, auf Schleichwegen und durch Nebenstraßen, denn wenn die Touristenpolizei Abdul sähe, wäre das nicht gut. Na schön, denke ich mir, hat er halt keine Fremdenführerlizenz. Kann passieren. Die ägyptische Touristenpolizei ist eher strikt.

Das Café (auch es hat keinen Namen) ist in der Tat ganz nett, fast so nett wie das mit den grünen Toren. Natürlich ist es teurer (wenn auch nicht ganz so teuer wie das am Bahnhof), denn von irgendwo her muss ja Abduls Provision kommen, also am besten aus meiner Tasche. Ich erfahre viele spannende neue Dinge: Abdul war beim Militär, und das war gar nicht gut für den armen Kerl. (Alle männlichen Ägypter müssen zum Militär, und kaum einer der ägyptischen Wehrpflichtigen hat großen Spaß dort; trotzdem bin ich angemessen beeindruckt.) Sein Bein (oder war's das Knie?) ist dabei kaputt gegangen, und jetzt braucht er dringend ein teures Medikament vom Arzt; gut vorbereitet, zeigt er mir das Medikament, ganz auf Arabisch, mit Ausnahme des Preises, der steht da auf Englisch (er kann ja nicht wissen, dass ich arabische Zahlen lesen kann). Das sind 500 Pfund, die er dringend braucht. Habe ich aber nicht mehr, sage ich (stimmt zwar nicht, aber sei's drum). Wir einigen uns darauf, dass ich ihm 300 Pfund (etwas über 40 Euro) leihe, die er mir am Tag vor unserem Abflug wiedergibt, zusammen mit den Koraninschriften. "Du bist ganz schön doof!", sagt Sandy, als ich ihr das berichte. "Das hast du gesehen, das Geld."

Der Urlaub geht weiter, und am Tag vor der Abreise treffe ich Abdul, wieder alleine, da Sandy ihn irgendwie nicht in ihr Herz geschlossen hat. Er sitzt schon im Café, als ich komme, in dem am Bahnhof, ganz oben, weit weg von allen störenden Augen. Schade, denke ich mir, ich wollte doch sehen, ob er noch humpelt, und wenn ja, welches Bein er nachzieht. Na, gut. Ob er denn sein Medikament bekommen habe, eröffne ich das Gespräch, was ihn etwas verwirrt, und es dauert ein wenig, bis ihm einfällt, um was es geht - schlecht vorbereitet, der Gute. Aber dann fällt ihm ein, dass es ihm schon viel besser geht. Und dann gibt er mit eine Tüte mit zwei großen Papprollen, wie man sie in Papyrusfabriken bekommt. Darin sind viele Koraninschriften auf Papyrus - und ich meine viele. Um genau zu sein, 3 in DIN-A-3 und etwa 10 in DIN-A-4. Die sich anschließende Diskussion erinnert ein wenig an die zwischen Indy und Sallah in Indiana Jones and the Last Crusade, wobei die Papyri die Rolle der Kamele einnehmen. Abdul ist ganz verwirrt. Hätte ich denn nicht so viele Papyri gewollt? Er hätte nicht mehr kaufen können, denn das Geld, das ich ihm gegeben hätte, hätte nur für so wenige gelangt. Langsam dämmert mir, dass die 300 Pfund für die dringenden Medikamente offiziell in die Papyri geflossen sind, und siehe da!, schon bald liegt eine "Quittung" der Papyrusfabrik über 550 Pfund (etwas über 75 Euro) auf dem Tisch. Als ich dann böse werde, bricht Abdul in gekonnte Panik aus und schwört auf den Koran (in sehr schnellem Arabisch, von dem ich natürlich kein Wort verstehe). Letztlich denke ich mir, dass ich die in Deutschland schon wieder los bekomme, und lasse ihn im Café sitzen. Die Alternative wäre in der Tat die Touristenpolizei, und irgendwie habe ich ein (zu) weiches Herz. Seitdem macht das geflügelte Wort von "Abdul dem Bescheißer" die Runde.

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