Das Sammeltaxi, das Allzweck-Transportmittel

Wir auf dem Land wohnt wie wir, ist auf die ... erm ... ägyptischen Nahverkehrssysteme angewiesen. Wollen wir z.B. nach Luxor, müssen wir mit der Fähre über den Nil. Der Fluss aber, wie erinnerlich, ist etwa vier Kilometer entfernt.

  1. Diese könnte man mit dem Fahrrad zurücklegen. Dagegen sprechen aber zwei Dinge: (1) Man hat dann das Fahrrad den Rest des Tages dabei, nicht zuletzt auf der Fähre. (2) Ich bin, im Gegensatz zu Sandy, nicht gut zu Fahrrad (Bremsen ist schwer, und Kurven sind mörderisch).
  2. Man könnte ein Taxi nehmen. Die fahren praktisch überall herum (auch bei uns auf dem Dorf) und sind, zumindest für deutsche Verhältnisse, mit 5 ägyptischen Pfund (etwa 70 Cent) eher billig. Aber das wäre zu einfach. Zu ... touristisch. (Obwohl wir hier in der Regel nicht von Taxis im modernen europäischen Sinne reden, sondern von alten Peugots aus den Siebzigern, die teilweise in recht abenteuerlichem Zustand sind).
  3. Und da sind die Sammeltaxis (siehe Bild).

Ein Sammeltaxi ist ein hinten offener Chevrolet-Pickup (immer), auch nicht wirklich moderner als die oben erwähnten Taxis, der durch die Gegend fährt und Leute mitnimmt. Wir stellen uns also, wenn wir zum Nil wollen (oder sonstwo hin) vor das Haus, warten, bis ein Sammeltaxi kommt (was selten länger als fünf Minuten dauert) und winken es heran. Dann hält es oder auch nicht (manche sind halt voll, manche Fahrer haben keine Lust oder gerade keine Zeit - wie das halt so ist).

Hält das Taxi, klettert man hinten in die (überdachte) Ladefläche, wo so acht bis zehn Leute Platz haben (und zwei bis drei können sich außen festhalten, wenn's denn sein muss - was es in Stoßzeiten in der Regel tut). Dann brettert der Fahrer los (die Straßen im ägyptischen Hinterland sind eher Wege), und man hat seinen Spaß. In vollen Autos findet sich fast immer mindestens ein Neugieriger, der guckt, was diese Ausländer da im Auto machen, und man kommt recht schnell ins Gespräch. Man lernt auch viel über Autofahren in Ägypten (Überholen auf Kurzdistanz, wildes Diskutieren mit anderen Fahrern, Gerangele an der Abzweigung zur Fähre ...). Will man aussteigen, klopft man mit Wucht gegen die Fensterscheibe, die den Passagierraum mit der Fahrerkabine verbindet; mancher moderner Chevrolet hat auch schon eine Klingel, aber ich würde mich nicht zwingend darauf verlassen, dass die funktioiert (das braucht ja auch eigentlich kein Mensch).

Irgendwann ist man dann da und steigt aus. Dann tappt man vor zum Fahrer und bezahlt den ungeheuren Fahrpreis von ... 25 Piastern pro Person (ungeachtet der zurückgelegten Strecke). Das sind so etwa dreieinhalb Cent. Da fühlen sich die fünf Pfund für das Taxi schon ganz anders an!

Auf dem Rückweg geht das dann ähnlich: Man sucht sich ein Sammeltaxi und springt rein. Es ist aber nicht ganz so einfach, wenn man von der Fähre kommt und wieder nach El Ezba möchte. Natürlich muss man sich zuerst einmal der ganzen Taxifahrer erwehren, die einen direkt nach Verlassen der Fähre überfallen. Hat man das geschafft, muss man den richtgen Wagen finden. Sie gehen von der Fähre aus nämlich in zwei Richtungen, und Fahrpläne, Schilder oder dergleichen Zeugs gibt es nicht.

Früher war das einfach: Es gab einen zentralen "Busbahnhof", da wusste man nach einigen Tagen, wo der Chevrolet nach El Ezba stand. Dann aber, irgendwann zwischen März 2007 und März 2008, begannen große Umbauarbeiten (mit denen wir uns in einem späteren Beitrag noch beschäftigen werden müssen), und der alte Abfahrtsort wurde abgerissen. Jetzt stehen die Autos teilweise in Unterständen wie dem auf dem Bild. Teilweise aber auch nicht. Man fragt sich halt durch.

In diesem Zusammenhang müssen wir noch schnell die "Specials" erwähnen, sozusagen die Motorboote der Sammeltaxis. Ein "Special" ist ein Sammeltaxi, das nur uns fährt - für 5 Pfund, halt wie ein echtes Taxi. Statistisch gesehen, führen die ersten vier Antworten auf die Frage nach dem Sammeltaxi nach El Ezba zu einem "Special". Das ist gut für den Fahrer, hat er doch einen sicheren Verdienst (für fünf Pfund müsst er im Verlauf der Fahrt zwanzig Passagiere aufladen). Und natürlich ist das auch gut für uns, denn wir müssen dann nicht warten und können sofort losfahren.

Also machen wir das nicht und suchen brav den Wagen für die Einheimischen. Der fährt dann irgendwann los, und gut ist.

Im Jahr 2009 erleben wir eine nette Variante des "Specials". Wir finden ein Sammeltaxi, in dem schon drei Ägypterinnen und Ägypter sitzen. Wir steigen ein, da sind's schon fünf Passagiere. Nichts passiert. Nach einiger Zeit packen die anwesenden Ägypter nach kurzer Beratung ihre Geldbörsen aus. Ein netter Herr in etwa meinem Alter klärt uns auf, dass der Fahrer noch keine Lust habe, loszufahren, da das Auto noch nicht voll sei. Wenn aber jetzt jeder von uns 2 Pfund zahlen würde, könnte ihn das überreden. Da wir es nicht eilig haben, lächeln wir nicht minder freundlich und tun nichts. Unser Gegenüber erkundigt sich leicht besorgt, ob wir ihn denn auch verstanden hätten. Wir versichen ihm, dass das durchaus der Fall sei.

Kurz darauf taucht der Fahrer auf und redet lebhaft auf den netten Herrn ein. Diese antwortet, in Englisch, damit wir es auch verstehen, dass er uns das sehr wohl gesagt habe (das mit den 2 Pfund). Der Fahrer zuckt mit den Schultern und setzt sich wieder in die Fahrerkabine. Er hat ganz offensichtlich auch viel Zeit.

Der nette Herr teilt uns daraufhin mit, dass wir dann wohl warten müssten, bis die nächste Fähre komme (Erinnerungen an die Motorbootverkäufer kommen auf). Er sagt das in einem Tonfall, als ginge gleich die Welt unter, aber da wir wissen, dass wir hier maximal von 20 Minuten reden, sind wir eher unbeindruckt. "Ja", sagt der nette Mann dann, "gestern mussten wir sogar bis nach Einbruch der Dunkelheit warten, bis er endlich losfahren wollte." Das ist bitter - das sind noch fast 40 Minuten. Aber da wir außer Abendessen nichts vorhaben und die Familie mit dem Essen auf uns wartet, lässt uns auch das eher kalt (zumal wir es noch weniger glauben als die Sache mit der nächsten Fähre). Der nette Herr steckt sein Portemonnaie weg, lehnt sich zurück und tut so, als würde er jetzt einschlafen.

30 Sekunden später kommt ein junger Ägypter angehastet, schmeißt ein großes Paket Irgendwas auf's Dach des Autos, springt hinein - und los geht's. Netter Versuch.

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