Unser "Freund" Abdul

Wir erinnern uns ...

"Drei bis fünf" Koraninschriften mutierten zu 13.

Ob Abdul sich immer noch in der Bahnhofsstraße herumtreibt ...?


Der Geschichte zweiter Teil: April 2006

Etwas über ein Jahr später sind wir wieder in Luxor. Die Papyri habe ich, soweit ich sie nicht als Geschenke verteilt habe, tatsächlich fast alle verkauft (nur zwei der großen habe ich noch - möchte jemand...?). Mittlerweile habe ich ein Nokia 6600, und man kann sich denken, wer mein Nokia 6610 nicht bekommen hat (es wird in diesem Urlaub bei Ali, dem ältesten Sohn von Hassan Maki, landen). Und eines schönen Tages, als wir auf dem Weg zum Café mit den grünen Toren sind, siehe da - da steht Abdul vor uns, frisch mit Bart und mit seinem üblichen traurigen Gesichtsausdruck. Er schenkt jedem von uns einen Taschenkoran (Sandy hat jetzt zwei), und wir schleppen ihn mit in "unser" Café (und zahlen dank seiner Anwesenheit gleich mehr, als wir alleine zahlen würden, und ich meine das jetzt nicht auf die Gesamtsumme bezogen).

Abdul ist sehr traurig, da wir ihn ja so völlig vergessen hätten. Hätten wir denn kein DHL in Deutschland? Es wäre doch so einfach gewesen, ihm das Handy zu schicken - wo er doch jetzt keines mehr hat, da sein Sohn (wir wussten noch gar nicht, dass er einen hatte) es ins Wasser geworfen habe. Als Beweis zeigt er uns seine beiden Sim-Karten, die er in seinem Portemonnai aufbewahrt. Ach, das Handy... upps, völlig vergessen. Er schlägt vor, er könne mir Geld geben für mein 6600, und ich würde mir in Deutschland dann ein neues...? Schade. Aber Gewürze wären doch gut, oder? (Die Koraninschriften hat er sicherheitshalber vergessen, was ich auch ganz clever von ihm fand.) Keine Gewürze? Ehrlich nicht? Was denn dann? Er geht die ganze Palette seiner "Dienstleistungen" durch, und zehn Minuten später landen wir bei Visitenkarten, auf der Vorderseite in Englisch und auf der Rückseite in Arabisch bedruckt, 100 Stück für nur 100 Pfund. Das ist zwar für örtliche Verhältnisse teuer, aber in Deutschland ist so etwas kaum zu bekommen, also stimmen wir zu und geben jeder eine eigene Visitenkarte als Vorbild ab. Später kommen noch zwei Koranrezitations-CDs zu Preisen hinzu, für die wir sie in Deutschland nie bekommen würden. Wir verabreden uns ein paar Tage später im Café am Bahnhof, im obersten Stock, da Abdul dort in Ruhe sein Bier trinken kann. Sagte ich schon, dass er nicht gerade ein Vorzeigemoslem ist? Er hat zwar keine Handys mehr, aber trotzdem gibt er uns seine Visitenkarte: "7 Days 7 wonder of Luxor", will heißen: mache alles, Hauptsache, es gibt Geld.

Am verabredeten Termin bin ich ein wenig (na, gut, eine halbe Stunde... aber was ist schon eine halbe Stunde in Ägypten...) zu spät, und Abdul ist nicht (mehr?) da. Auch kein Problem, wir haben ja noch eine Woche und sind öfter in der Bahnhofsstraße (das Café mit den grünen Toren ist ganz in der Nähe). Wir sehen Abdul aber trotzdem nicht mehr. Tragisch. Also schleppe ich mich zwei Tage vor unserem Rückflug in das Café am Bahnhof und schwenke Abduls Visitenkarte mit einem klassischen "Haben Sie diesen Mann gesehen?" Der Eigentümer meint, der würde später kommen, so in ein, zwei Stunden. Tut er aber nicht. Oh, sage ich, das ist aber nicht gut (was ich sogar gerade noch so auf Arabisch hin bekomme). Der Eigentümer guckt bedröppelt und ruft einen anderen Ägypter herbei, der sich als Mahmoud vorstellt und gut Deutsch spricht. Was Abdul uns denn angetan hätte, will er sofort wissen. Ich sage es ihm in groben Zügen. "Also nichts Illegales?", will Mahmoud wissen. Ich frage ihn, ob er Visitenkarten oder Koran-CDs für illegal hält, aber das tut er nicht. Neugierig geworden, hake ich nach, und es stellt sich heraus, dass Abdul "gerade gestern" Torusiten betrogen hätte, "und das ist nicht gut für uns" (also den Rest der vom Tourismus lebenden Bewohner des oberen Teils der Bahnhofsstraße). Mahmoud jedenfalls erklärt sich sofort und mit entschlossenem Gesichtsausdruck bereit, Abdul aufzuspüren, damit wir dann mit ihm zusammen zur Touristenpolizei gehen könnten. Und unser Geld bekämen wir auch wieder. Ich wäre ja schon mit der Ware zufrieden, sage ich, und für die Polizei hätte ich auch nicht so wirklich Zeit oder Lust. Wir vereinbaren, dass wir telephonieren.

Später am Abend klingelt das Telephon - und siehe da, es ist Abdul. Er ist recht hektisch und will wissen, was er mir denn getan habe, dass ich Mahmoud auf ihn gehetzt habe und was ich diesem für das Taxi bezahlt habe. Ich unterbreche ihn und leite das Gespräch in die richtigen Bahnen, nämlich zu unseren bestellten Waren und einem Treffpunkt zur Übergabe. Abdul unternimmt drei Anläufe, noch ein wenig zu jammern, aber nach dem dritten "When? And where?" versteht er dann, dass mir nicht wirklich danach ist. Wir machen einen Termin um 17 Uhr am nächsten Tag aus, in der Lobby eines Hotels in Bahnhofsnähe (anscheinend darf er nicht mehr ins Café).

Am nächsten Nachmittag, so gegen 15 Uhr, sitzen wir in der Fähre zum Ostufer, da sagt Sandy: "Guck' 'mal, ist das nicht Abdul der Bescheißer?" Ich gehe auf eine kurze Reise durch das Schiff uns siehe da!, er ist es. Freundlich winkend, möchte er mich auf das Oberdeck entführen, aber wenn Sandy schon einmal auf dem gleichen Schiff ist, kann sie sich das auch gleich mit anhören. Abdul kommt mit und jammert ganz fürchterlich, dass der Mahmoud ein böser, BÖSER Mann sei, der mit dem Taxi bei ihm zu Hause aufgetaucht sei und seinem Vater mit der Touristenpolizei gedroht habe. Er habe die Nacht vorsichtshalber außerhalb geschlafen. Ich erkläre ihm, dass wir ihn gesucht, aber nicht gefunden hätten, weshalb wir fragen mussten. Ah, aber er war doch im Krankenhaus, wegen eines fiesen... Irgendwas am Hals (die Narbe ist auf jeden Fall neu, aber irgendwie vergisst er das Humpeln). Er unternimmt einen kurzen, aber erfolglosen Versuch, mir die 30 Pfund für die Telephonkarte vom Vorabend in Rechnung zu stellen - und außerdem wäre er jetzt extra mit der Fähre zum Westufer gefahren und hätte uns gesucht, aber leider unser Hotel nicht gefunden (was daran liegt, dass wir nicht in einem Hotel wohnen und er das weiß, aber sei's drum). Er könne sich jetzt gar nicht mehr in der Bahnhofsstraße, seinem alten Stammgebiet sehen lassen, und das wäre wirklich nicht gut. Und dieser Mahmoud wäre wirklich kein guter Ägypter.

Wenn Abdul uns gesucht habe, habe er doch bestimmt auch die Waren dabei? Und siehe, er hat. Die Koran-CDs sind, ohne Preisaufschlag, von zwei zu drei mutiert, da sagt man nichts. Die Visitenkarten enthalten natürlich Fehler, und am Tag vor der Abreise lässt sich das nicht mehr direkt korrigieren. Abdul, sichtlich mitgenommen, verspricht Hände ringend, sie uns nachzuschicken. Wir würden ihm doch glauben, oder? Aber klar, sage ich, er ist ja unser Freund und will uns nur helfen, und wir haben ja seine Adresse und Mahmouds Handynummer. (Sandy hingegen sagt, ich solle mich nicht darauf einlassen, sondern das Geld zurück fordern. Natürlich hätte Abdul "so viel Geld" nicht dabei. Und der Abstecher zur Touristenpolizei am Tag vor dem Abflug muss dann doch nicht sein. Geht ja nächstes Jahr auch noch.) Das mit Mahmoud, ein wirklich böser Mensch übrigens, lässt Abdul noch einmal sehr unruhig werden, und er will mehrfach wissen, was wir Mahmoud denn nun erzählen werden. Na, ja, sage ich, drei Mal, wir erzählen ihm, dass wir unsere Ware bekommen haben und alles in Ordnung ist - so mehr oder minder. Dann ist die Fähre auch schon da, und Abdul will uns unauffällig nach links lotsen, wo es wohl Cafés gibt, in denen er sich noch sehen lassen darf. Aber uns zieht es nach rechts, in Richtung Bahnhofsstraße und Café mit grünen Toren, und da darf der arme Abdul ja nicht mehr ...

Unterwegs telephonieren wir noch einmal mit Mahmoud und teilen ihm mit, dass wir unsere Ware bekommen haben und alles in Ordnung ist. Wir verabreden uns noch mit Mahmoud fürs nächste Jahr, und am Tag darauf geht es nach Hause.

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